Erste EP von Debby Smith erscheint

Eine Ausnahmestimme, eine selbstbewusste und reflektierte Künstlerin, die ihre eigenen Songs und Texte schreibt, Klavier spielt, ihre Platte co-produziert und auch ansonsten die Zügel lieber in der Hand behält. Genau solch eine tolle Entdeckung kann man jetzt in der deutschen Poplandschaft machen: Debby Smith.

Mit ihrer nun erscheinenden EP „Peace of Mind“ legt die junge Hamburgerin ein erstaunlich reifes Debüt vor. Darauf versammeln sich fünf gefühlsbetonte Pophymnen, die zwischen Intimität und großer Geste changieren und deren R’n’B-Einschlag ebenso deutlich wird wie der weite musikalische Horizont ihrer Autorin.

Satter Groove, HipHop-Beats, charmante Retroelemente wie 80er-Jahre Synthies im Song „O Heaven“ oder Quincy-Jones-like Basslines im Song „How many miles“ werden von ihr gekonnt ins Heute befördert. Dabei leuchten aus dem Zentrum der Songs stets ihre unverwechselbare Stimme und das Klavier heraus.

Debby Smith zeigt uns, was Pop im besten Falle sein kann: eine feinsinnige Auseinandersetzung mit unserem kulturellen Jetzt, die gefallen darf, vom Hocker reißen kann, und sein Publikum gerne auch ein bisschen schütteln und erschüttern soll.

„Art should comfort the disturbed, and should disturb the comfortable“, lautet ein Ausspruch, der dem mexikanischen Dichter und Menschenrechtskämpfer Cesar A. Cruz zugesprochen wird und den Debby Smith zum Motto ihres künstlerischen Schaffens erkoren hat. So vergisst sie auch nicht, ihre Hörerinnen und Hörer nach der emotionalen Urgewalt, die ihre Songs und ihre Stimme (!) in einem auslösen können, sanft und zuversichtlich wieder einzufangen. Mit leisen, tröstlichen Tönen und in den dazugehörigen Bildwelten, die uns – in transformierter Form – ein Stück Pop-Kindheit der 90er und 2000er Jahre zurückbringen. Denn mal ehrlich, wer wird nicht nostalgisch, wenn er an verregnete Nachmittage vor dem Musikfernsehen von MTV oder VIVA zurückdenkt?

Für das Video zur Debütsingle „Something Special“ nimmt Debby Smith ihre Hörerinnen und Hörer mit nach Los Angeles. Genauer nach Hollywood, dem Inbegriff des schönen Scheins. Der Traumfabrik, die unsere Erwartungshaltung an Liebesbeziehungen maßgeblich mitgeprägt hat. Doch anstatt sich in Pop-Platitüden zu verfangen und anschließend die perfekte, schön zurechtgeschnittene Hochglanz-Bilderwelt abzuliefern, entscheidet sie sich für den Weg des größten Risikos; für einen Onetake shot ohne doppelten Boden und auf die Gefahr hin, dass jeden Moment etwas schief gehen kann und man von vorne beginnen muss. Der Clip kommt in angesagter Farbästhetik daher, selbstsicher tänzelt Debby Smith entlang der schicken Häuser in Beverly Hills, das man ihr als ihre Hood sofort abkaufen würde, singt: „…it ain’t easy nowadays to believe in fairy tales, I mean, look around and you will see broken hearts, broken dreams, still I want the real kind of love?“ Doch in der nächsten Sekunde verschwindet die Protagonistin plötzlich aus dem Bild, kommt ZuschauerInnen und Inszenierung einfach abhanden. Und kaum wieder aufgetaucht, verzerren überlagerte VHS-Störungen das Bild. Die Fassade der Traumwelt, sie bröckelt gewaltig. „I want something special“. Doch Zweifel regen sich im Publikum: ausgerechnet hier sucht sie nach Authentizität, etwas „echtem“ oder gar „true love“? Ob sie schließlich fündig geworden ist, bleibt im Video offen, so als hätte sie mit dem Aufkommen der Frage schon alles Gewünschte erreicht.

Wenn sie uns wie in „How many miles“ eine ganz und gar pure Coming-of-Age-Geschichte erzählt, klingt das absolut aufrichtig. Nichts zu verstecken, nichts zu beschönigen. Der eigenen Nachdenklichkeit und Melancholie Raum geben. Innehalten, wenn alles um einen herum immer lauter und schneller wird. Und dann dürfen es ganz selbstbewusst auch die großen Gesten des Songwriting sein.

Am Ende der EP steht der Song „Unshakable“, der sich den, für echte Pophymnen nötigen Pathos einfach traut – und hält was er verspricht. Er verzaubert Hörerinnen und Hörer mit einem monumentalen, unweigerlich an Hans Zimmers Filmmusik erinnernden, Orchester. Es fühlt sich dann an, wie im Kino weinen. Wenn man das Gefühl hatte, für einen kurzen Moment einen Blick auf das ewig Schöne und Wahre zu erhaschen, das da offenbar irgendwo still und heimlich ungetrübt vor sich hin existiert und von dem man nun hofft, noch möglichst viel davon mit nach Hause nehmen zu können.

„Peace of mind“ darf wohl auch als sanfte Ermutigung verstanden werden. Wer es schafft, dem inneren Chaos ein herzliches „Hallo, das bist du ja wieder!“ entgegenzurufen, Perfektionismus und die Angst vor dem Versagen über Bord zu werfen und den eigenen Entwicklungsprozess wohlwollend zu beobachten, der wird schnell sein eigenes Heilmittel gegen die gefühlte Dauerüberforderung unseres lauten Alltags finden. Einfach zurückfallen lassen in die Musik. Tanzbarer Seelenfrieden. Mehr geht nicht.

(Nanne Spielmann)

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