Roy Bianco & Die Abbrunzati Boys veröffentlichten weitere Single des neuen Albums

„Excusen Sie mich mal! Roy Bianco & Die Abbrunzati Boys fernab von bella Italia, fernab der musikalischen Wahlheimat? Und dann auch noch drüben, über den großen Teich, in den Staaten, woher diese abrupte Wendung?”, fragt sich vermutlich die ein oder andere Leserin. Aufmerksame Kennerinnen der Geschichte unserer Schlagerstars wissen jedoch um die story behind the story: Wir schreiben das Jahr 1992. Roy Bianco, auf dem Olymp seines musikalischen Schaffens, steht vor dem Scherbenhaufen seines Privatlebens:
„Ich möchte die Scheidung“, sagt Ehefrau Sybille zu Roy und schon war sie da, die erste handfeste Lebenskrise, aus welcher dieser Titel erwachsen sollte.

„Miami Beach“, die bisher „persönlichste“ Single aus der Feder der Hit-Schmiede Abbrunzati/Bianco kommt daher keineswegs unerwartet. Vielmehr ordnet sie sich gewandt in die Erzählgeschichte des im April erscheinenden, zweiten Albums „Mille Grazie“ ein. Der Ausflug nach Florida, an die selbsternannte Adria der Karibik, ist somit nicht unbedingt ein Stilbruch. Trotz der neuen Entfernung vom Mutterkontinent Europa geht der Italo-Schlager derweil stets auf seiner Linie und bleibt dem Motto von Dolce Vita und Benessere treu. Auch wenn es ganz bestimmt nicht so einfach ist, wie es im Refrain mit „schenk mir noch einmal dein Herz, du willst es auch“ lauten mag. Hedonismus auf Vollgas im Sunshine State ist zwar eine Wahnsinns Sache –geht aber nie lange gut. Im Vergleich zur Vorgängersingle „Quanto Costa” hat man bei „Miami Beach“ darüber hinaus einen frischen musikalischen Einschlag gewählt und erweitert damit das Repertoire der Gruppe aufs Neue.

Von rockigen Gitarren und dem herrlichen Gefühl von der Bühnenkante aus dem Sommer kommt die neue Single in einem groovigen Zusammenspiel zwischen Bass, Schlagzeug und lässigen Open-Chords-Strummings der Gitarre mit pointierten Hits von Trompete und Keyboard an. Dazu der zum Teil zweistimmige Gesang, der erst intim und zerbrechlich im Falsett, später mit fester Stimme, einen Akt der Befreiung, aber auch der Verzweiflung vertont. Italo-Schlager trifft erneut die unfassbare Leichtigkeit von Pop, spielt mit den Possen charmanter 90er-Boyband-Vibes und bekommt dazu noch eine verrückte Seitenlage in den Gospel. Das klingt alles kurios. But: It’s America, Baby, anything goes!

Gleichwohl die Komposition beim Anhören verliebte Sunnyboy-Gefühle mit Ohrwurm-Charakter hervorruft, kommt sie in der Erzählung eher am Ende des Kreises von Liebe an. Gemischte Gefühle und widersprüchliche Handlungen, die so eine Lösung vom Ex-Lover nach sich ziehen, bilden den Kern von „Miami Beach“.

Es geht hier zynisch zu und man verheddert sich nur allzu gerne in nihilistischen Lustwandeln am Gegenüber. Enttäuschte Liebe ist ein weites Feld. Dann verbringt man eine letzte Nacht berauscht zusammen am Strand und im Hotelzimmer bis der Morgen über dem Atlantik bricht, um am Abend im Gerichtssaal ein Urteil zu hören. Anything goes, tausend Flamingos fliegen auf -es ist ohnehin alles zu spät. Dazu der Geruch von süßen Coladas und ein dutzend gebrochener Versprechen in der drückenden Schwüle am Mare Caraibico. Es gibt keine zwei Meinungen: es ist ein krachendes Scheitern einer Liebesbeziehung vertont mit großen Chören, mit Pauken und Trompeten. Full stop!

Trotzdem gibt es im Namen des Italo-Schlagers doch auch Grund zu feiern. Der erzählerische Unterton von „Miami Beach“ ist alles andere als eine Selbstaufgabe -sondern eher selbstreferenziell und hochironisch. Denn so viel weiß auch Roy: Dieses Ende bedeutet einen neuen Anfang in Freiheit. Das sieht man einmal mehr im Video von „Miami Beach“, welches als gelungene Studioproduktion daher kommt. Hier werden die Geschehnisse dieser Tage 1992 in einer Art Gedächtnisprotokoll nachgespielt. Zwischen Wedding Chapel, Beach und American Diner begleitet Die Abbrunzati Boys und die Band ihren Roy durch diese schweren Episoden und holen ihn mit Applaus zur Urteilsverkündung einer geschiedenen Ehe wieder in ihre Mitte. Ganz wie im biblischen Gleichnis: Der verlorene Sohn kehrt Heim, lass uns ein Fest feiern!

Overall: „Miami Beach“ ist eine ambivalente Sache die mit einem frechen Augenzwinkern und hedonistischer Hybris vom Ende einer Ehe erzählt. R. B. & D. A. B.machen aus diesem Inhalt schließlich eine befreiende Hymne und ein tragikomisches Arrangement mit garantiertem Ohrwurmpotential. Am Ende schließt man beim Hören die Augen, fährt in Gedanken Coast-to-Coast eine Tour mit der Harley Davidson und kommt als gereinigter und geläuterter Mensch wieder bei sich selbst an.

Es gibt kein richtiges Leben im falschen. Ach, wenn es nur immer so einfach wäre.

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