Adel Tawil steht mit neuem Album in den Startlöchern

Was bleibt, wenn der Beat stoppt und der Applaus verstummt? Wenn das ewige Wettrennen, das wir Leben nennen, zum Stehen kommt und die Uhr plötzlich in Zeitlupe tickt? Wenn statt all der Menschen nur noch dein eigenes Bild im Spiegel da ist? Adel Tawil hat sich diesen Fragen gestellt – und sie in die persönlichsten Songs seiner Karriere verwandelt. Sein viertes Studioalbum “Spiegelbild” ist eine Suche, eine Reise zu sich selbst: Wer bin ich eigentlich?

Eigentlich. Eigentlich wollte Adel Tawil eine Auszeit nehmen. Dieser Entschluss stand fest, damals, Ende 2019, als alles lebte und die Welt noch eine andere war. Wie wir inzwischen wissen, ist es anders gekommen. Aus vereinzelten Nachrichten aus China wurde eine Pandemie. Pläne blieben Pläne. Und was lange selbstverständlich schien, war plötzlich nur noch eine langsam verblassende Erinnerung, ein vages Stück Hoffnung in einer dunklen Zeit. Wie wir alle spürte Adel Tawil in diesen einschneidenden Wochen und Monaten 2020 die Wucht des Alleinseins. Diese überwältigende Stille – die so viel lauter sein kann als jeder Konzertlärm, jeder Jubelschrei.

“Ich kenne viele, die in dieser Zeit hingeschmissen haben”, erinnert sich Adel Tawil heute. “Weil sie keine Kraft mehr hatten. Oder weil sie fanden, dass das alles ohnehin keinen Sinn hat.” Die kollektive Kraft, sie schwand mit jeder Woche Lockdown. Adel selbst aber fand in dieser Ausnahmesituation des aufgezwungenen Innehaltens neuen Fokus. Tag für Tag brachte er seine Gefühle und Gedanken zu Papier. Stellte sich den Fragen, die nicht mehr zu überhören waren. Fand Worte für das, was kaum nach außen zu kehren ist. So formte sich nach und nach die Idee eines Albums: “Spiegelbild”. Es ist sein wahrscheinlich wichtigstes geworden. Mit Sicherheit ist es sein bislang persönlichstes.

Die Idee von Musik als Therapie ist ein strapaziertes Klischee. “Spiegelbild” füllt es mit neuer Bedeutung. Jeder der 16 Songs ist für Adel Tawil eine Reise zu sich selbst. Es geht um die Suche nach Sinn und Identität. Um die Wunden langer Jahre, die Dämonen noch längerer Nächte. Vor allem aber geht es darum, sich selbst kennen und lieben zu lernen. Hashtag #selflove – nur halt im echten Leben. Denn wenn alles andere wegbricht: Was bleibt noch, außer dir selbst?

Adel Tawil hat ein ganzes Leben im Widerspiel mit dem Publikum verbracht. Er geht auf darin: Wenn er spürt, dass er geben kann, bekommt er zurück. Das war so, als er als Teenager auf der Suche nach Zugehörigkeit und Anerkennung durch die Straßen und Clubs seiner Stadt zog, ein Berliner Junge, der Vater Ägypter, die Mutter Tunesierin, Hip-Hop aus Amerika, die Kumpels von überall. Und es ist bis heute so geblieben, nun da er längst die prägende Pop-Stimme seiner Generation ist, ein Familienvater und gemachter Mann obendrein. Die Bühne ist sein Zuhause geworden, der Zuspruch sein täglich Brot. Er ist ehrlich: “Nicht auftreten zu können, hat mir sehr zugesetzt.”

Wie so vielen anderen hat die Pandemie auch Adel Tawil das Fundament unter den Füßen weggezogen. Luxusprobleme, klar – das Gastarbeiterkind Adel aus Berlin-Siemensstadt wäre der Letzte, der das nicht anerkennt. Aber auch Luxusprobleme können sich sehr real anfühlen, wenn das Tageslicht ausgeht und man alleine ist mit den Verirrungen und Versuchungen der Dunkelheit. Viele der Songs auf “Spiegelbild” handeln von diesen Momenten. “Schon wieder hab‘ ich mich verlaufen hier in meinem Labyrinth / Find‘ den Weg nicht mehr nach draußen, nur Gott weiß noch wohin”, singt Adel an einer Stelle des Albums. An einer anderen heißt es: “An den dunkelsten Orten, in den dunkelsten Clubs / In meinem Glas schwamm das Vergessen, hab‘ es runtergeschluckt.” Die Bilder, die Adel auf „Spiegelbild” malt, sind düsterer als das, was man von ihm kennt. Aber sie sind auch: ungefiltert, transparent, dringlich und gerade deswegen so nah. “Auf diesem Album gibt es definitiv Momente, die ich früher gekillt hätte, weil sie mir zu persönlich, auch zu dark gewesen wären. Aber ich musste das machen. Alles andere wäre nicht ehrlich gewesen.”

Auch musikalisch zeigt “Spiegelbild” ungewohnte Seiten von Adel Tawil. “Autobahn” etwa spielt mit zeitgeistiger EDM und Afrobeats, der Titelsong mit der New Wave-Ästhetik der achtziger Jahre. Neue Sounds und neue Worte. In seiner Essenz aber ist das Album classic Adel. Er hat diese seltene Gabe, selbst erlebte Geschichte so zu erzählen, dass jeder einen emotionalen Bezug dazu finden kann. Wenn Adel Tawil von sich singt, singt er von uns allen. Das macht ihn zu einem der erfolgreichsten Songschreiber, die dieses Land je gesehen hat. Und “Spiegelbild” zu einer besonderen Platte: tief persönlich und universell gültig zugleich.

Der abschließende Song “Nirvana” zeugt davon, auf eine sehr spezielle Weise. Vordergründig geht es in dem Lied um den Drang auszubrechen und aufzubrechen, ohne genaue Richtung, aber mit umso mehr Mut. “Auf endlosen Straßen, weiter Richtung Nirvana / Kofferraum voller Fragen, alles so laut, ich muss dringend hier raus / Regen schlägt an mein Fenster, doch in mir tobt ein Orkan / Ganz egal, wie das endet: Alles auf neu und ich werd’s nicht bereuen.” Gleichzeitig ist das Stück – wie das gesamte Album – ein Tribut an Adel Tawils langjährigen Produzenten Andreas Herbig. Herbig ist Anfang 2022 im Alter von 55 Jahren nach langer Krankheit in einem Hamburger Hospiz gestorben. Viel zu früh, viel zu traurig. “Nirvana” ist der letzte Song, an dem die beiden gemeinsam gearbeitet haben. Nun ist er der letzte Song auf einem Album, das auch vom Weitermachen handelt.

Es war nie so geplant, natürlich nicht. Eine reine, brutale Wendung des Schicksal. Aber vor ihren Hintergrund ist „Spiegelbild“ auch als Aufforderung zu lesen, den Kampf anzunehmen und daran zu glauben, dass es weitergeht. Immer. “In jedem Tunnel scheint auch ein bisschen Licht”, singt Adel auf “Nirvana”. Und: “Schließt sich eine Tür, öffnet sich eine andere.” Worte der Wahrheit und der Wärme. Der Kontext gibt ihnen eine besondere Bedeutung. Ihre Kraft spüren kann man auch so.

Die Pandemie, der Tod eines engen Freundes und Mentoren, gebrochene Biografien im engsten Umfeld, auch die eigenen Brüche und Umbrüche: Die letzten Jahre waren für Adel Tawil eine Zeit der Reflexion und Neuorientierung. Er hat Yoga für sich entdeckt, auch Meditation und die harte Auseinandersetzung mit sich selbst. Es hat ihn weitergebracht und dieses Album ermöglicht. “Ich habe in meinem Leben immer funktioniert, immer weiter gemacht. Aber ich habe mich bei all dem nie gefragt: Was will ich eigentlich? Genau das finde ich gerade heraus. Es ist eine spannende Reise, und ‘Spiegelbild’ ist in gewisser Weise der Startpunkt der Reise. War es einfach, dieses Album zu machen? Bestimmt nicht. Teilweise sogar sehr schmerzhaft. Aber es war eine wichtige Erfahrung. Und wenn ich damit auch nur einen Menschen auf seine persönliche Reise schicken kann, dann war es das alles wert.”

Das Album „Spiegelbild“ erscheint am 03.03.2023. Die 16 Songs werden überall digital erhältlich sein und physisch als CD, Doppel-Vinyl und limitierte Fanbox veröffentlicht.

Album-Tracklisting „Spiegelbild“:

  1. „Niemandsland“
  2. „Venus & Mars“
  3. „Autobahn“
  4. „Feuer & Eis“
  5. „Labyrinth“
  6. „Menschenkinder“
  7. „Fallschirm“
  8. „Silberstreif“
  9. „Spiegelbild“
  10. „Tränenpalast“
  11. „Leuchten“
  12. „Was wirklich gut war“
  13. „Stolz“
  14. „Die Welt steht auf Pause“
  15. „Labyrinth“ feat. Bozza
  16. „Nirvana“


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