Juli Zeh – Über Menschen
Der neue Roman von Juli Zeh ist ein Pandemie Buch, wie es wohl prägnanter nicht sein könnte. Und das leider auf vielen Ebenen. Die Autorin, die mit ihrem Roman „Unterleuten“ einen unglaublichen Erfolg erringen konnte, beschreibt in „Über Menschen“ das Schicksal ihrer Hauptfigur Dora, die aus der Großstadt Berlin in das kleine brandenburgische Dorf Bracken flieht. Sie lässt nahezu ihr gesamten Leben, ihren Lebensstandard, ihre Beziehung und auch ihre Freunde und Familie zurück, um sich ganz der Dorfidylle hingeben zu können. Doch diese vermeintliche idyllische Umgebung bringt dann auch diverse besondere Charaktere hervor, die etwas klischeehaft in den Roman eingearbeitet wurden.
Juli Zeh beschreibt die Gedanken, Erlebnisse, Wahrnehmungen und Tagesabläufe ihrer Hauptfigur in einer Art Tagebuchform. Nicht immer flüssig zu lesen und auch von den Beschreibungen von Abläufe und Umschreibungen von Umgebungs- und Gedankenbegebenheiten oftmals etwas abgehakt wirkend, ist „Über Menschen“ ein Buch, das dem Leser stets den Wunsch nach einem Höhepunkt vorenthält. Es ist wie die besagte Möhre, hinter der der Hase steht herläuft, weil er den Glauben daran hat, sie zum Ende des Spiels hin fressen zu dürfen.
Neben den tagebuchähnlichen Schilderungen aus der Sicht von Dora, bindet Juli Zeh hier im übertragenen Sinne dann so diverse mahnende Zeigefinger auf gesellschaftliche Probleme und extreme Ansichten ein. Egal, ob es der Rechtsextremist oder aber der Umwelt-„Fridays for Future“-Fanatiker sind. Sie alle bekommen ihren Platz und irgendwie auch ihre Berechtigung. Allerdings oftmals mit einer Art allgemein gültigem Verständnis für ihre Sichtweisen und Handlungen. Irgendwie hat man den Eindruck, „Über Menschen“ möchte ein „piep piep piep – wir haben uns alle lieb“ Buch sein.
Über mehr als 420 Seiten beschreibt Juli Zeh gesellschaftliche und sozialpolitische Begebenheiten in der Peripherie und auch in der Großstadt – und bettet diese in den Lebenslauf der Protagonistin Dora ein, die es irgendwie stets versucht, es allen recht zu machen und jedem seine bzw. ihre eigene Ansicht und Lebenseinstellung zuzubilligen.
Eine Einstellung und Wertevermittlung, der die künstlerische Freiheit natürlich ihren Freiraum lässt. Allerdings wären hier die erhobenen Zeigefinger das eine oder andere mal wohl nachhaltiger gewesen. Insgesamt ein Buch, dass der Vorgängererfolg von „Unterleuten“ nicht ganz gerecht wird.